Pass bloss auf, wenn du mich irgendwo im Café, auf der Strasse oder an ungewöhnlichen Orten triffst, es könnte sein, ich sammele gerade Material für mein nächstes Stück.
Für mein erstes Theaterstück als Autorin und Regisseurin – «Räschtruum. Ein voyeuristischer Blick auf das Phänomen Frau.» (2018/2019) – hatte ich mir ordentlich etwas eingebrockt. Dazu muss man vorwegnehmen: Es spielt ausschliesslich auf einer Frauentoilette in einem Nachtclub. Und an entsprechend diskretem Ort ging ich also auch auf die Suche nach Menschen und ihren Erlebnissen. Wobei sich meine Beobachtungen auf die Hälfte der Menschheit begrenzt haben. Die Männer waren also fein raus. Naja. Irgendwie kamen sie ja dann auch vor. Denn alles, was Frau umtreibt, hat auch zum Inhalt des Stücks beigetragen.
Ein Stück will immer etwas transportieren: Manchmal geht es um Einblicke in andere Lebenswelten, Gefühle oder Wahrnehmungen, dann wieder werden ganze historische Erzählungen dargestellt oder Momente willkürlich aneinandergereiht. In «Räschtruum» habe ich nichts der Willkür überlassen. Ich habe alles gründlich recherchiert – zumindest wenn man mich gelassen hat, alles andere war Fantasie gespickt mit mehreren Prisen Drama und Komödie.
Körpersprache, das zählt!
Zur Tat! Mit gespitzten Ohren und grossen Augen ging ich stundenlang von Toilette zu Toilette, in Einkaufsgeschäfte, in Bahnhöfe, in Cafeterias und auch Clubs. Sammelte Eindrücke. Gesprächsfetzen. Was mich mitunter am meisten fasziniert, ist die Körpersprache. Da ist der gesprochene Text, aber was passiert dazu mit dem Körper? Ist das Zusammenspiel stringent? Oder sind Sprache und Bewegung widersprüchlich, und ist da ein Subtext zu lesen? In der Toilette hingegen hielten sich die körpersprachlichen Beobachtungen in Grenzen, also galt es die unterschiedlichen Frauencharaktere auch an anderen Orten zu beobachten …
Inspiration gaben mir zum Beispiel zwei junge Mädels. Was hatten die für ein Fest! Sie waren laut und lachten, während ich derweil, in einer Kabine eingeschlossen, versuchte zuzuhören. Körpersprachliche Eindrücke konnte ich so natürlich nicht gewinnen. Folgen konnte ich ihrem Gespräch aber auch nicht, mir fehlten einfach die Zusammenhänge. Also Kabine aufgeschlossen und freundlich nachgefragt, ob ich auch wissen dürfe, was sie so «feiern» würden. Die beiden haben mich ziemlich schief angeschaut, die Antwort kam schnell: «Nein, sicher nicht!» Dann haben sie sich verkrümelt … und verübeln konnte ich ihnen diese Antwort bestimmt nicht!
Ein Rat von einem Profi
1. Lektion im Schauspielunterricht: Leg deine Scham sowie dein persönliches Befinden ab, und mach einfach. Wer Inspiration und guten Inhalt für theaterfestes Material sucht, der komme aus seiner Komfortzone heraus und beobachte – und zwar was das Zeug hält! Aber um ehrlich zu sein: Unangenehm ist es oft trotzdem. Es ist aber eine Einstellungssache.
Mein Stück sollte ja auf einer Club-Toilette spielen, also suchte ich nach Stereotypen im Ausgang, die ich einordnen konnte. Geschichten erzählen sich auf der Bühne wunderbar, wenn sie einen Tick überspitzter sind als in der Realität. Also keine Angst, vielleicht wirst du als Zuschauer Aspekte deiner Persönlichkeit in meinen Stücken wiedererkennen, aber es wird nie persönlich. Und geht es nicht darum, wenn du ins Theater gehst, dass du dich in einem Stück selbst wiederfindest und durch die Handlung auf der Bühne angeregt wirst? Sei’s zum Fremdschämen (Grinch Alarm), Lachen, Nachmachen, Reflektieren oder Ablästern. Entsteht eine Reaktion auf das Gesehene, erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Stoff. Und dann ist Inspiration gelungen.